Samstag, 6. Juni 2009

Was liest du? Die Wahre Bücherliste, Juni 2009.

Ach, manchmal denke ich, dass wir manchmal Perlen vor die Säue schütten. Die Leserinnen und Leser machen sich richtig Gedanken über die Bücher, die sie lesen, und vielleicht interessiert das gar keinen. Was natürlich schade wäre. Drum hoffe ich ein klein wenig, dass die Wahre Bücherliste kein Selbstzweck ist. Sondern ganz tolle, noch nie dagewesene Kommunikation über das, was immer noch richtig spannend ist: Bücher.

Also dann, auf zu den Büchern, die in diesem Monat unbedingt besprochen werden wollten! In Grün wie immer die Kommentare der Leserinnen und Leser!

Viel Spaß!

BELLETRISTIK

1. Ildefonso Falcones: Die Kathedrale des Meeres (1)
Eine wunderschöne Geschichte, die im 14. 14. Jahrhundert in Katlonien spielt. Ein sehr guter Geschichtsroman über die Macht der katholischen Kirche im Mittelalter, über die Grausamkeit der Inquisition und das Leiden des Volkes unter der Willkür des Adels. Es ist eine von diesen Büchern, die einen, obwohl es über 600 Seiten hat, zu kurz vorkommen.

2. Christoph Schlingensief: So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein (oW)
Ich bin noch nicht durch mit dem Buch, bis jetzt gefällt’s mir aber sehr gut. Es gibt Passagen, die in der Tat so wirken, als seien sie direkt in dem Eindruck des gerade Erlebten geschrieben, dann gibt es wieder Passagen, die durchaus inszeniert wirken - was aber nicht schlimm ist. Niemand schreibt vor, wie ein Tagebuch eines Kranken zu schreiben ist - beide Formen haben hier ihre Berechtigung, finde ich.

3. Matilde Asensi: Iacobus (2)

4. Raymond Chandler: Der lange Abschied (2).
Wie konnte mir als Krimifan der Großmeister himself so lange verborgen bleiben? Irgendwie hatte ich Chandler mit alten Scharzweißschinken und Humphrey Bogart als Philipp Marlowe assoziiert und mit dem Vorurteil „nicht zeitgemäß“ abgestempelt. Da muss ich heftig Abbitte leisten. Die Story ist großartig konstruiert und die Sprache ein Traum: kurz, prägnant, lakonisch bis zynisch. Ein Genuss von der ersten bis zur letzten Seite und meine dringende Empfehlung für das Urlaubsgepäck. Zwar keine große Literatur, aber von mir trotzdem eine gute (2) – mehr kann ein Krimi aus meiner Sicht nicht bieten.

5. Markus C. Schulte von Drach: Der fremde Wille (2)
Ein gut recherchierter Thriller. Ich war verblüfft zu erfahren, dass heute noch neue Tierarten entdeckt werden. Und zwar nicht irgenwelche Spinnen oder anderes Kleingetier, sondern Elefanten und Rinder. Das aber nur nebenbei.
Es passieren fünf Morde in München, fünf in Schottland, erst einer, dann mehre Morde in Hawai, einer in den USA - alle mit der gleichen Tötungsart: mit den Händen und den Zähnen. Ein wildes Tier, eine Bestie? Durch den DANN-Vergleich stellt sich heraus: Es sind trotz der exakt gleichen Tötungsart unterschiedliche Täter. Die Lösung ist so unwahrscheinlich nicht.


6. T. C. Boyle: Die Frauen (3-)

7. Lisa Jewell: Ralph's Party (6)
Bei der Lektüre habe ich mich wirklich alle drei Seiten gefragt, wieso ich das Buch nicht einfach zur Seite lege oder noch besser: aus dem Fenster werfe. Aber irgendwie bringe ich es selbst bei wirklich schlechten Ideen, langweiligen Geschichten und uninteressanten Charakteren nicht übers Herz, ein Buch vorzeitig wegzulegen – es könnte ja noch besser werden. In diesem Fall wird es das aber nicht. Meine Neigung für leichte, amüsante Storys im englischen Original für die paar Minuten vorm Schlafen an besonders müden Wochentags-Abenden habe ich bereits gestanden, gute Autoren dafür zu finden ist und bleibt schwierig. Do not read this book!

8. Susann Heinrich: So, jetzt sind wir alle mal glücklich (3-)
Die Autorin entwickelt keine Figuren, sondern Vorstellungen von Menschen und Beziehungen, die in keiner Zeile wirken, als hätten sie etwas mit dem Leben zu tun. Stattdessen bleiben sie eine Auffassung davon, wie unglücklich Liebe macht, wenn sie nicht echt ist. Dabei gaukelt der Roman dem Leser vor, das Problem an diesen falschen Lieben sei ihre Unausweichlichkeit und versteckt sich hinter Phrasen und endlosen, bemühten Vergleichen. In Wahrheit aber haben Heinrichs Protagonisten einfach nur nicht den Mut, ihre Einsamkeit auszuhalten und lenken sich davon ab, wie alleine sie sich eigentlich fühlen müssten in ihrem Scheitern, das sie verletzt und zutiefst irritiert. So bleiben sie seltsam künstlich und fern, wie Stars in einem Hochglanzmagazin – und man hat sie mit der letzten Zeile des Romans bereits vergessen.

9. Jennifer Crusie & Bob Mayer: Agnes and the Hitmann (2)
Als Agnes sich in ihrer Küche gegen einen Mann, der vorgab ihren Hund entführen zu wollen, mit der Pfanne verteidigt – stürzt der durch die Wand in einen der Hausbesitzerin unbekannten Keller. Die passionierte Köchin hofft mit der Leiche im Untergeschoss, niemand werde in ihre Polizeikte schauen und dabei ein Muster entdecken, was die Sache mit der Bratpfanne angeht … und stellt fest, dass ihr Verlobter mal wieder nicht Willens oder in der Lage ist, ihr zu helfen. Dafür ist da plötzlich Shane, der den Auftrag hat, sie zu beschützen, normalerweise aber als Profikiller arbeitet …
Hinter dieser Geschichte stecken zwei Autoren mit zuvor sehr unterschiedlichen Feldern – während Crusie erfolgreich romantische Komödien schreibt, ist Mayer Thriller-Spezialist. Ihr gemeinsames Buch ist witzig, spannend und sexy, die Charaktere lebendig und überhaupt, so möchte man vorm Einschlafen unterhalten werden. Irgendwie verwunderlich, wieso noch keines der Crusie-Bücher verfilmt wurde, aber vielleicht kommt das ja noch.


10. Peter Henisch: Die kleine Figur meines Vaters (1)
“Was ich nämlich der Figur meines Vaters zuschreibe, etwa, daß sie alles, was um sie herum existiert und geschieht, flugs zum Motiv macht, kann ich mir selbst nicht abschreiben. Mir selbst wird nicht nur alles, was um mich herum, sondern auch alles, was in mir existiert und geschieht, zum Motiv. Alles, was ist, denke ich, ist gut, sofern es gutes Material ist. Was dir zum Foto wird, Papa, wird mir zum Text."
Als Peter Henisch seinem Vater Walter ankündigt, ein Buch über ihn schreiben zu wollen, ist der nur scheinbar mürrisch. Bald aber gefällt ihm die Idee, wenn auch getrübt vom Bedauern, dass Heinz Rühmann zu alt sein wird, um ihn in einer möglichen Verfilmung darzustellen. Der Sohn hat seinen Vater, den Kriegsberichterstatter, als kleiner Junge bewundert und seine Geschichten vom Einsatz mit der Kamera aufgesogen. Mit dem Alter kam die Kritikfähigkeit am Vater und damit eine gewisse Ablehnung aber auch ein tiefes Bedürfnis nach Versöhnung. Das Buch atmet diese gemischten Gefühle, auch die Irritation des Sohnes darüber, sich dem Vater zunehmend ähnlich zu fühlen – und sei es nur, weil sie doch beide dokumentieren, der eine mit der Kamera, der andere mit der Schreibmaschine. Beeindruckend ist dabei vor allem, wie offen die Männer über ihre Gespräche lernen, miteinander umzugehen; wie der Vater, am Ende bereits vom Sterben gekennzeichnet, dem Sohn seine Geschichten, auch seine Naivität, damals, anvertraut – und der milde wird gegenüber dem Alten. Unsentimental, und doch sehr berührend: ein ganz, ganz wundervolles Buch.


11. Luis Sepúlveda: La lámpara de Aladino (1)
Superschön.


SACHBUCH

Fehlanzeige


Warum gibt es eigentlich die Wahre Bücherliste? Weil sie beweist, dass Bestseller-Listen Bestseller-Listen sind. Und die Wahre Bücherliste die wahrscheinlich einzige Liste ist, die Bücher auflistet, die auch gelesen und nicht nur gelistet werden. Von echten Leserinnen und Lesern. Die noch echt lesen. Und wie geht das? Verschiedene Leute reichen die Titel der Bücher ein, die sie im vergangenen Monat gelesen haben bzw. gerade lesen. Sie benoten das Buch – wenn sie wollen – und schreiben eine kleine Kritik – wenn sie wollen. Mitmacherinnen und Mitmacher schicken eine E-Mail an: whoa@gmx.de – alles Weitere dann per Mail.td>

Bilder des Zufalls

Architektur_Duesseldorf_13

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Status

Online seit 6409 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 5. Nov, 15:11

Credits